Die Eröffnung beginnt mit dem ersten Zug und endet nach der Entwicklung der Figuren.
Eine mit der Anzahl der Züge einhergehende und exakt mathematisch festgelegte Trennung zum nächsten Partieabschnitt, dem Mittelspiel, gibt es nicht. Der Übergang ist fließend. Es ist also nicht möglich zu sagen, dass eine bestimmte Eröffnung genau nach dem soundsovielten Zug endet. Eine sehr allgemeine grobe Einschätzung ist so etwa um den zwölften Zug herum.
Praktisch alle Eröffnungen mit einigermaßen plausiblen Spielweisen haben Namen. So wird beispielsweise 1.e4 c5 als Sizilianisch bezeichnet. Auch die weiteren Verzweigungen haben vielfach eigene Namen, 1.e4 c5 2.c3 etwa heißt Alapin.
Die ersten Züge prägen das Spiel ganz besonders, weshalb es äußerst wichtig für Sie ist, gut in die Partie zu starten.
Fehler in der Eröffnung können nicht nur dazu führen, dass Sie sofort verlieren, sondern auch die Ursache dafür sein, dass Sie Ihre spielerischen Stärken gar nicht ausspielen können. Eine gewinnbringende taktische Kombination lässt sich kaum verwirklichen, wenn Ihre Figuren völlig passiv auf drei Reihen zusammengedrückt stehen.
Dieses ungünstige Worst-Case-Szenario können Sie allerdings leicht abwenden, denn einschlägige Vorbereitung ermöglicht es Ihnen, zumindest die allerersten Züge genauso stark zu spielen wie Magnus Carlsen oder Judit Polgar.
Bei der Eröffnungswahl sollten Sie nicht nur Ihre persönlichen Vorlieben, sondern ebenso Ihre Stärken und Schwächen berücksichtigen. Beispielsweise gibt es Eröffnungen, bei denen taktische Auseinandersetzungen häufiger im Mittelpunkt stehen, aber auch welche, bei denen es mehr um strategische Fragen geht oder die durch umfangreichen Abtausch von Figuren rasch Richtung Endspiel tendieren. Mögen Sie etwa unübersichtliche Verwicklungen weniger, ist Königsgambit wahrscheinlich keine gute Wahl für Sie.
Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Auswahl von Eröffnungsvarianten sind die sich daraus ergebenden Stellungsbilder. Nehmen wir an, Sie haben eine Vorliebe für eine Bauernstruktur mit isoliertem Bauern. Hier kann es sinnvoll sein, Ihr Repertoire so zu gestalten, dass sich mit beiden Farben eine größere Wahrscheinlichkeit für diese Struktur ergibt.
Wichtig ist auch, dass Sie darauf achten, wie sich ihre Lieblingsstrukturen verändern könnten. So kann etwa aus einem isolierten Bauern durch Abtausch von Figuren leicht ein "hängendes Zentrum" entstehen.
Beides ist notwendig. Lernen Sie Varianten nur auswendig und verstehen zu wenig, warum welche Züge sinnvoll sind, ist es schwierig für Sie, auf unweigerlich in jeder Partie auftretende neue Situationen vernünftig zu reagieren.
Verstehen Sie den Sinn einzelner Züge gut, kennen aber nicht genügend konkrete Theorie oder diese nur lückenhaft, werden Sie vor allem in schärferen Stellungen, die sich mit Allgemeinwissen nicht so leicht beurteilen lassen, unliebsame Überraschungen erleben.
Weil ich gerne Spieler und Spielerinnen aller Spielstärken ansprechen möchte, ist der Schwierigkeitsgrad meiner Beispiele stark gestreut. Sie finden an anderer Stelle meiner Website einfachere, aber auch schwierigere Beispiele.
Wenn Sie verstehen, worauf es ankommt, können Sie besser einschätzen, ob ein Zug in der Eröffnung vernünftig ist oder nicht.
Das Diagramm zeigt die Ausgangsstellung einer sehr traditionsreichen Eröffnung, der sogenannten "Schottischen Partie", die diesen Namen schon seit 1824 trägt.
Warum sind die Züge 4. ... Lc5, 4. ... Sf6 oder 4. ... Df6 bei Schwarz sehr beliebt, während der Abtausch 4. ... Sxd4 in der Großmeisterpraxis kaum vorkommt?
Weil der schwarze Einfluss im Zentrum durch die Züge 4. ... Lc5, 4. ... Sf6 oder 4. ... Df6 verbessert, durch den Abtausch auf d4 hingegen verschlechtert wird.
In der Diagrammstellung haben sowohl der Sd4 als auch der Sc6 Einfluss im Zentrum. Durch den Abtausch auf d4 verschwindet der schwarze Einfluss vollkommen.
Ob es grundsätzlich besser ist, ein eher engeres Eröffnungsrepertoire zu haben oder doch mehrere vollkommen verschiedene Systeme zu spielen, lässt sich so allgemein nicht beantworten.
Wenn Sie immer dieselben Varianten spielen, haben Sie den Vorteil, diese wirklich gut zu kennen. Dadurch sind Sie mit vielen eröffnungstheoretischen Feinheiten vertraut. Allerdings fällt dadurch auch die Vorbereitung auf ihr Spiel leichter. Werden Ihre Partien nicht veröffentlicht, spielt diese Überlegung überhaupt keine Rolle.
Manchmal gibt es das Problem, dass eine bestimmte Variante gegen Stärkere gut funktioniert, nicht aber gegen Schwächere oder umgekehrt. Ein Grund dafür können sogenannte "Eröffnungsfallen" sein. Bei einer Eröffnungsfalle erscheint die Aussicht auf Materialgewinn verlockender als das Befolgen wichtiger strategischer Prinzipien, was sich aber rasch als Fehler erweist. Stärkere Spieler und Spielerinnen kennen diese Fallen und lassen sich nicht so leicht überlisten.
Tatsächliche oder vermeintliche Eröffnungsfallen zu kennen, lohnt sich.
Zum einen verhindern Sie dadurch selbst Opfer so einer Falle zu werden, zum anderen können Sie die Netze vielleicht selbst auswerfen.
Muss der König unrochiert in der Mitte bleiben, kann er von allen Seiten angegriffen werden. Die Aussicht auf eine Mehrfigur ist allerdings sehr verlockend.
Figurengewinn oder Eröffnungsfalle: Kann Weiß sich erlauben, den ungedeckten Läufer auf b4 zu schlagen?
Nein. Richtig ist 1.fxe3 mit etwa gleichen Chancen.
Im Fall von 1.Lxb4 entscheidet 1. ... exf2+ 2.Ke2 fxg1S+. Die hübsche Pointe, den Bauern in einen Springer zu verwandeln, vermeidet den Abtausch auf d8. Nach 3.Ke1 Dh4+ gewinnt Schwarz. Eine Eröffnungsfalle aus dem Albins Gegengambit.
Haben Sie sich für bestimmte Eröffnungssysteme entschieden und wollen Ihr Wissen weiter vertiefen, sollten Sie daraus ein Repertoire formen. Dieses systematische Zusammenstellen von Varianten - auch wenn es zu Beginn nur einige wenige sind - ermöglicht Ihnen, eröffnungstheoretische Probleme besser zu erkennen und zu lösen.
Ein Repertoire zu erstellen ist ein beträchtlicher Aufwand. Ist das einmal gelungen, lohnt es sich, dieses auch zu pflegen. Dazu gehört etwa von Zeit zu Zeit wichtige Neuerungen zu ergänzen.
Achten Sie auf Zugumstellungen, damit Sie nicht durch verschiedene Zugreihenfolgen ausgetrickst werden können. Bestimmte Zugreihenfolgen ermöglichen oder verhindern gewisse Varianten. Wenn Sie beispielsweise 1.d4 Sf6 2.c4 spielen, ermöglichen Sie Schwarz darauf die Antwort 2. ... e5. Verhindern Sie das Budapester Gambit mit 2.Sf3, schließen Sie dadurch zugleich aber auch alle Systeme mit f3 aus.
Die geschickte Auswahl der Reihenfolge Ihrer Eröffnungszüge kann Ihnen unter Umständen helfen, unangenehmen Varianten aus dem Weg zu gehen.
Vermeiden Sie Perfektionismus und versuchen Sie, Ihr Repertoire übersichtlich zu halten. Wenn Sie überambitioniert an die Sache herangehen, kann es leicht sein, dass Sie sich von zu vielen Varianten erschlagen fühlen. Denken Sie daran, ein vollkommen lückenloses Eröffnungsrepertoire gibt es nicht.
... und Sie an weiteren Tipps interessiert sind, wie Sie Ihre Spielstärke ganz grundsätzlich verbessern können, sind Sie herzlich eingeladen, einen Blick auf meine Homepage zu werfen.